Auszug vorläufiges Plenarprotokoll vom 14.6.2007

Gefahren durch “BAYER-Kohlenmonoxid-Pipeline” berücksichtigen – Sofortvollzug aufheben – Enteignungsgesetz überprüfen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/4475 Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herrn Abgeordneten Remmel das Wort. Bitte schön. Johannes Remmel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute wird das Thema “Gefahren durch BAYER-Kohlenmonoxid-Pipeline” erstmals hier im Plenum thematisiert und diskutiert. Es geht darum, die Landesregierung im Sinne der betroffenen Menschen zum Handeln aufzufordern. Ich möchte die Delegation aus dem Kreis Mettmann, die die Debatte heute verfolgt, begrüßen. Ich habe der lokalen Presse entnommen, dass auch viele Menschen zu Hause am Computer die Debatte verfolgen werden. Wir müssen die Sorgen der Kommunen und der vielen tausend betroffenen Menschen sehr ernst nehmen. Kohlenmonoxid ist ein sehr gefährliches Atemgift und hochexplosiv. Vor Ort wächst der Widerstand täglich. Das kann der Landtag, das kann die Landesregierung nicht einfach ignorieren. Es gibt mittlerweile Unterschriftenlisten. 13.000 Menschen in Hilden haben unterschrieben. Für Samstag ist eine große Demonstration angekündigt. Es sind Hungerstreiks und Trassenbesetzungen im Gespräch. Die Städte verweigern das Betreten von Grundstücken. Es gibt Klagen betroffener Bürgerinnen und Bürger sowie Klagen der Städte und des Kreises. Es ist mir sehr wichtig zu betonen, dass es keine parteipolitische Angelegenheit ist. (Beifall von den GRÜNEN) Vor Ort ist insbesondere der Landrat des Kreises Mettmann aktiv. Er gehört der CDU an. Bürgermeister der CDU geben Gutachten in Auftrag und sprechen davon, dass es sich möglicherweise um Todesstreifen handelt, die gebaut werden. Es ist keine parteipolitische Auseinandersetzung. Im Übrigen sei an dieser Stelle auch erwähnt, der Abgeordnete Clauser der CDU fordert auch einen Baustopp. Insofern geht die Diskussion etwas breiter. Wir sollten das auch so einordnen. Ich muss an dieser Stelle sagen: Es wundert mich schon, dass für die CDU-Fraktion gleich Kollege Kress sprechen wird. Er ist ansonsten dafür bekannt, dass er eine gewisse Nähe zum Bayer-Konzern hat. (Holger Ellerbrock [FDP]: Er versteht wenigstens etwas davon!) Obwohl es schwerwiegende neue Sicherheits- und Risikogutachten gibt, obwohl es neue Bedenken gibt, wird mit dem Bau begonnen. Es gibt keinen Baustopp. Das muss heute im Landtag thematisiert werden. Dazu muss die Landesregierung Stellung nehmen. Ich will das kurz erläutern. Es gibt eine neue Risikostudie des Kreises Mettmann. Es liegt ein Gutachten im Auftrag der Stadt Monheim vor, das an mehreren Stellen nachweist, dass die Leitung nicht dem Stand der Technik entspricht. In der Risikostudie wird deutlich gemacht, was passiert, wenn diese Pipeline an bestimmten Stellen leckt, und wie viele Menschen davon betroffen sind. Wir fordern die Landesregierung und die Firma daher auf, nicht mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, sondern die Sorge der Menschen ernst zu nehmen und vor allem den Sofortvollzug zu stoppen und auszusetzen. Die Landesregierung muss dazu auffordern die Bezirksregierung muss es tun. (Beifall von den GRÜNEN) Aus unseren bisherigen Diskussionen ist auch deutlich geworden: Die Menschen vor Ort können einfach nicht verstehen, dass eine Pipeline planfestgestellt worden ist, es aber kein Risikokonzept und kein Konzept für den Katastrophenschutz gibt. Das kann nicht sein. Das muss gleichzeitig passieren. Es muss nachweisbar sein, dass es funktioniert. Nach meiner Kenntnis weigert sich die örtliche Feuerwehr, weiter darüber nachzudenken, weil sie sich nicht in der Lage sieht, einen solchen Katastrophenschutz tatsächlich zu gewährleisten. Auch die Debatten im Umweltausschuss und unsere Kleine Anfrage haben diesen sehr heiklen Punkt nicht zufriedenstellend beantwortet. Es ist bezeichnend, dass der federführende Umweltminister sowie der zuständige Innenminister der Debatte heute nicht folgen und nicht daran teilnehmen. Es ist jetzt auch klar, dass es nicht mehr um die Propylen-Pipeline geht. Es geht ausschließlich um die Kohlenmonoxid-Pipeline. Die Dinge, die durch die neuen Gutachten, durch die Risikostudie, durch die fehlenden Sicherheits- und Katastrophenpläne auf dem Tisch liegen, machen deutlich, dass jetzt gehandelt werden muss. Wir müssen uns eine Denkpause gönnen. Dazu tragen wir eine gemeinsame Verantwortung. Diese Verantwortung sollten wir auch wahrnehmen. Natürlich haben wir gemeinsam ein Enteignungsgesetz beschlossen. Das will ich eingestehen. Dadurch, dass wir es gemeinsam getan haben, erwächst uns auch eine besondere Verantwortung, an einem Punkt, an dem viele neue Fakten auf dem Tisch liegen, innezuhalten und nicht mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, sondern den aktuellen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Deshalb brauchen und fordern wir von der Landesregierung eine detaillierte Risikoanalyse und einen umfassenden und zusammenführenden Katastrophenschutzplan. Ohne solche weitergehenden und schützenden Pläne darf der Bau und darf das Projekt nicht weitergeführt werden. Dafür müssen wir gemeinsam Sorge tragen. Deshalb geht unser dringender Appell in diese Richtung, gemeinsam zu agieren. – Vielen Dank. (Beifall von den GRÜNEN) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Remmel. – Jetzt hat Herr Abgeordneter Kress das Wort für die CDU-Fraktion. Karl Kress (CDU): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion zum Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline von Köln-Worringen nach Krefeld-Uerdingen wird in der Tat seit 2002 geführt. Bereits im Jahr 2004 wurde unter Beteiligung der Kommunen das Raumordnungsverfahren zur optimalen Trassenfindung eingeleitet. Das Planfeststellungsverfahren wurde mit zahlreichen Erörterungsterminen vom August 2005 bis zum Februar 2007 durchgeführt. Herr Remmel, in insgesamt sechs Beratungsblöcken haben wir in den Landtagsfachausschüssen sowie zweimal hier im Plenum einstimmig – also mit der Zustimmung aller Landtagsfraktionen – das Kohlenmonoxid-Pipeline-Gesetz beschlossen und damit einvernehmlich der von der rot-grünen Vorgängerregierung auf den Weg gebrachten Trassenführung zugestimmt. So viel zur Geschichte. Das ist die Wahrheit. In vielen Unternehmen der Kunststoffindustrie wie in Uerdingen wird der Rohstoff Kohlenmonoxid zur Herstellung von Polykarbonatgranulat eingesetzt. Von der Firma INEOS wird das Treibhausgas CO2 über eine Pipeline zu den Dormagener Firmen Linde und Praxair transportiert. Sie reduzieren es dann zu Kohlenmonoxid. Das ist eine gute Sache. Schon heute wissen wir zweifelsfrei, dass das Gas natürlich gefährlich ist. Wir wissen aber auch, dass das Gas vom Herstellungsort Dormagen auch heute schon über eine zehn Kilometer lange Leitung – den Rhein querend – zur Weiterverarbeitung nach Leverkusen geleitet wird. Nach Aussagen der zuständigen Fachbehörden geschieht dies seit Jahren absolut störungsfrei. Herr Kollege Remmel, genauso störungsfrei haben alle Landtagsfraktionen unsere Beschlüsse zum Bau der längeren Pipeline von Köln-Worringen nach Uerdingen gefasst. Ich betone nochmals: Wir alle haben mit unserem einstimmig gefassten Beschluss dem Vorhaben besondere öffentliche Bedeutung beigemessen. Dies geschah insbesondere zur Arbeitsplatz- und Standortsicherung der angeschlossenen Unternehmen. Da haben Sie recht: Für die Arbeitsplätze trete ich in der Region ein. Ich halte den damals einstimmig gefassten Beschluss auch heute für absolut richtig. Er ist richtig, weil die Firma WINGAS auf einem großen Teilabschnitt der ca. 25 km langen Trasse parallel zur Kohlenmonoxid-Pipeline eine Erdgasleitung verlegt. Noch besser wäre es gewesen, wenn auch die bereits genehmigte Propylen-Pipeline über diese Trasse verlegt werden würde. Es ist aber doch grundsätzlich richtig, wenn Gefahrguttransporte von der Straße verschwinden. (Beifall von CDU und FDP) Wichtiger ist aber, dass vor – das betone ich ausdrücklich – der Versorgungssicherheit die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Umfeld der Pipelinetrasse steht und dass die Menschen jederzeit über die Sicherheitskonzepte informiert werden. Das vorgestellte Sicherheitskonzept, meine Damen und Herren, muss dem Schutz der Bevölkerung oberste Priorität einräumen. Das setzt in unserem industriell geprägten Land verantwortungsvolles Handeln voraus. Diese große Verantwortung haben aber auch die handelnden Personen vor Ort, die beim Aufzeigen von Katastrophenszenarien gewollt oder ungewollt Ängste schüren und sich auf Gutachter berufen. Ich bin in der Tat auf weitere Gutachten gespannt. Herr Remmel, was soll denn ein Gutachter machen, wenn er die Frage gestellt bekommt, was nach dem Vollbruch der Pipeline geschieht? Was soll er sagen? Wie würde eine gutachterliche Antwort auf die Frage ausfallen, was passieren würde, wenn ein Schnellzug mit 200 km/h ungebremst in einen vollbesetzten Bus führe? Meine Damen und Herren, nach dem aktuellen Stand der Technik muss alles getan werden, damit ein solches Ereignis nie eintritt. Dies gilt für alle gefährlichen Anlagen in unserem Land – auch für die Pipeline. Ich vertraue auf den Sachverstand unserer Fachbehörden, die mehr von dem sehr komplexen Sicherheitskonzept verstehen als wir und die uns heute sagen, dass ein sicherer Betrieb der Rohrfernleitung gewährleistet werden kann. Darum müssen auch schnellstmöglich die Unterlagen zur Betriebsgenehmigung vorgelegt und geprüft werden. Vizepräsident Edgar Moron: Herr Kollege Kress, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Remmel. Karl Kress (CDU): Natürlich, bitte. Vizepräsident Edgar Moron: Bitte schön. Johannes Remmel (GRÜNE): Ich möchte Ihre Grundaussage gern klarkriegen: Sie unterstellen dem Landrat und den Bürgermeistern, die alle der CDU angehören, unzulässige und übertriebene Panikmache durch die Reaktionen vor Ort. (Holger Ellerbrock [FDP]: Ja!) Das ist Ihre Grundaussage. Habe ich Sie so richtig verstanden? (Holger Ellerbrock [FDP]: Ja!) Karl Kress (CDU): Herr Remmel, Sie interpretieren das, wie es Ihnen passt. Das ist so nicht richtig. Man muss eine umfassende Güterabwägung vornehmen. Das habe ich auch in den vorherigen Diskussionen gesagt. Das war im Übrigen auch die Antwort des Ministers, als auf Ihre Kleine Anfrage eine sehr umfangreiche Stellungnahme des Ministeriums abgegeben wurde. Eben haben Sie noch gesagt, Sie hätten überhaupt nicht inhaltlich an der Diskussion teilgenommen. Sie haben diese Diskussion sehr wohl geführt das gehört auch zur Wahrheit. Wenn man sagt, dass wir eine umfangreiche Diskussion geführt haben – die vorhandenen kritischen Punkte schiebe ich nicht weg wir haben sie inhaltlich ausdiskutiert -, ist das richtig. Nicht richtig ist, wenn man sagt, wir stellten ein Katastrophenszenario auf, ohne darauf einzugehen, Herr Remmel, dass die Sicherheitsbestimmungen in unserem Lande so sind, dass nach der heutigen Kenntnis nichts passieren kann. Darum sage ich auch: Die Betriebsgenehmigung, über die wir noch gar nicht sprechen, muss mehr als nur kritisch geprüft werden. Dabei gebe ich Ihnen absolut recht. Das wird durch die Fachleute auch geschehen. Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluss noch aus einem Beitrag meines Kollegen Clauser, der schon erwähnt wurde, zitieren. Ich bin der Ansicht, dass alle Fragen jederzeit vor Ort plausibel beantwortet werden müssen. Der Kollege Clauser hat gefordert, dass wir eine qualifizierte Schulung und Einbindung der örtlichen Feuerwehren brauchen das ist richtig so. Er hat die Frage nach der Struktur der Alarm- und Gefahrenabwehrpläne gestellt und auch nach der Markierung der Rohrummantelungen gefragt. Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir diese und weitere Fragen im Fachausschuss diskutieren werden, und hoffe wirklich, Herr Remmel, dass wir wie bisher bei diesen Fragen die Sachebene im Plenum und im Fachausschuss nicht verlassen werden. Die CDU-Fraktion stimmt heute der Überweisung – natürlich nicht dem Antrag – in den Fachausschuss zu. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Kress. – Für die SPD-Fraktion erhält das Wort der Herr Abgeordnete Kuschke. Wolfram Kuschke (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in der Kürze der Zeit vier Anmerkungen machen. Erstens. Ich will in aller Deutlichkeit auch in Richtung des Kollegen Remmel sagen: Es gibt keinerlei Anzeichen für Zweifel daran, dass das vorliegende Verfahren in Trägerschaft der Bezirksregierung Düsseldorf bisher nicht nach Recht und Gesetz erfolgt ist. (Beifall von Holger Ellerbrock [FDP]) Ich denke auch, dass es eine Reihe von Gründen gibt, die nahelegen, dass es sich um ein öffentliches Interesse handeln könnte, wenn man sich die Bedeutung für den Chemiestandort und für die mittelständischen Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie anschaut. Aber – das soll meine zweite Anmerkung sein – umso mehr – ich schaue jetzt in Richtung des Ministers, der heute die Wirtschaftsministerin und den Umweltminister vertritt, die dazu eigentlich hätten Stellung nehmen müssen – muss es im Interesse der Landesregierung sein, die Ängste und Bedenken ernst zu nehmen. (Holger Ellerbrock [FDP]: Ja, sehr!) Dann kann auch nicht abgewartet werden, bis der Ausschuss nach den Sommerferien tagt, Herr Kollege. Darin stimme ich dem Kollegen Kress nicht zu. Unsere Erwartungshaltung ist – vielleicht wäre das in der Tat einmal möglich ich habe das an dieser Stelle schon einmal moniert -: Wenn wir im Plenum ein Gespräch führen – so empfinde ich immer die Debatten -, wäre ich sehr dankbar dafür, wenn wir uns auch zuhören würden. Die Landesregierung sollte in den kommenden Tagen damit beginnen, in drei entscheidenden Bereichen zu informieren und Bedenken aufzugreifen, weil das nicht Aufgabe der Bezirksregierung ist und sie als Trägerin des Verfahrens das auch nicht tun kann, denn dabei ist das Unternehmen gefordert, aber auch die Landesregierung. Ich finde, dass der Kollege Remmel mit der Tendenz seiner Kleinen Anfrage dort schon richtig lag. Die Landesregierung muss in drei Bereichen nachlegen, in denen es Fragen aus der Bevölkerung gibt: Der eine Bereich ist die Trassenführung. Das wurde vorhin schon angesprochen ich kann es jetzt nicht vertiefen. Ursprünglich hatten wir es mit einer Trasse zu tun, auf der unterschiedliche Pipelines geführt werden sollten. Ich glaube zwar, dass das keine verfahrenserheblichen Auswirkungen hat, aber von den Menschen werden dazu Fragen gestellt. Der zweite Bereich ist die Enteignungsregelung. Auch dabei wird nachgefragt, ob sie sich jetzt auf etwas anderes beziehen muss. Ich glaube, dass man diese Frage beantworten kann. Die dritte Frage richtet sich in der Tat auf die Katastrophenschutzpläne und auf die entsprechenden Alarm- und Einsatzpläne. Das Verfahren sieht leider formal gesehen eine bestimmte Abfolge vor: Bisher war erst das Genehmigungsverfahren vorgesehen dann kommen die Katastrophenschutz- und Alarmpläne. Aber das kann man den Menschen doch nicht klarmachen. Sie wollen möglichst parallel zu dem, was dort passiert, wissen, wie in einer Situation verfahren wird, die möglicherweise schwierig sein könnte, auch wenn sie nach dem bisherigen Stand des Verfahrens ausgeschlossen wird. Dritter Punkt. Ich finde es gut, dass die Bezirksregierung Düsseldorf – wenn ich das richtig sehe – heute umfangreiche Informationen ins Internet gestellt und dort noch einmal dargelegt hat, was eigentlich zwischen dem Planfeststellungsbeschluss, den wir haben, und der Inbetriebnahme noch aussteht. Das will ich gar nicht alles auflisten aber es gibt einige Punkt, wie etwa die Erfüllung von Anforderungen aus TÜV-Gutachten, Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 Betriebssicherheitsverordnung usw. Das alles sind Dinge, bei denen ich den Menschen sagen muss: Das passiert noch. Das wird erarbeitet. Wir erwarten Ergebnisse, die wir natürlich entsprechend präsentieren werden. Lassen Sie mich zu meiner vierten und letzten Anmerkung kommen. Wir glauben, dass die sich möglicherweise abzeichnenden Klagen auch damit zu tun haben, dass es in den Punkten, die ich genannt habe, schlichtweg Unsicherheiten und ein Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger gibt. Ich will aber auch in aller Deutlichkeit sagen, Herr Kollege Remmel, dass all das nicht dazu führen darf, der Forderung aus dem ersten Punkt Ihres Beschlussvorschlages nach einem Baustopp und der Aufhebung der sofortigen Vollziehung zuzustimmen. Ich muss Ihnen ganz deutlich sagen, und das wissen Sie auch: Damit greift der Landtag zum einen in die Kompetenzen der Exekutive ein. (Beifall von Holger Ellerbrock [FDP]) Er würde sogar noch einen Schritt weitergehen, denn er würde von der Exekutive verlangen, dass sie in die Belange der Judikative eingreift. Das kann auch an dieser Stelle bei allen Bedenken und Ängsten, die es gibt, und bei allem Informationsbedürfnis nicht der Fall sein. Auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger selbst und anderer Verfahren müssen wir uns schlichtweg an die Spielregeln halten, die wir uns selbst auferlegt haben (Beifall von Holger Ellerbrock [FDP]) und von denen wir wollen, dass sie auch in Zukunft eingehalten werden. Ich äußere aber noch einmal meine herzliche Bitte an das Unternehmen und an die Landesregierung: Herr Kollege Laumann, versuchen Sie im Gespräch mit Frau Thoben und Herrn Uhlenberg, übrigens auch mit dem Innenminister, klarzumachen, dass wir in den Bereichen, die ich genannt habe, mit den Bürgerinnen und Bürgern sprechen, sie informieren und ihre Bedenken und Ängste ernst nehmen müssen. – Herzlichen Dank. (Beifall von der SPD) Vizepräsident Edgar Moron: Ich danke Ihnen, Herr Kollege Kuschke. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Abgeordneter Ellerbrock. Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wichtige infrastrukturelle Maßnahmen – vom Straßenbau bis zu Industrieprojekten – sind das Lebenselixier Nordrhein-Westfalens als Industriestandort, und das soll auch so bleiben. (Beifall von der FDP) Selbstverständlich ist es notwendig, dass solche Projekte nach Sicherheitsaspekten genehmigt werden. Dafür gibt es gewisse Verfahrens- und Spielregeln, auf die Herr Kollege Kuschke hingewiesen hat. Bei solchen Projekten haben natürlich die Sicherheitsinteressen der Betroffenen Vorrang. Darüber sind wir uns einig. Nicht vergessen dürfen wir in diesem Zusammenhang aber auch die Bedeutung, die solche infrastrukturellen Projekte für die Wirtschaft und für die Arbeitsplätze dieses Landes haben. Meine Damen und Herren, im Jahr 2004 hat es ein Raumordnungsverfahren zur Trassenbestimmung gegeben das haben Sie auch nicht infrage gestellt, Herr Kollege Kuschke. Dieses Verfahren ist sogar für mehrere Leitungen durchgeführt worden. Trassenbindungen und landesplanerische Vorstellungen sind verwirklicht worden. Diese Trasse hat das raumordnungsrechtliche Verfahren durchlaufen, ohne dass die Bürgermeister und Landräte, die sich heute in der Presse so darstellen, auch nur im Ansatz Einspruch erhoben haben. Diese Trasse ist mit breitem Konsens gebilligt worden. (Beifall von FDP und CDU) Anschließend hat es ein umfangreiches Planfeststellungsverfahren gegeben. Viele Bürger sind informiert worden. Ein Beteiligungsverfahren ist durchgeführt worden. Man hat im Ergebnis eine Genehmigung erteilt, die mit den höchsten heute vorstellbaren und realisierbaren Sicherheitsstandards verbunden ist. Wir müssen uns das einfach einmal vorstellen: Die Mindestabdeckung ist von 1 m auf 1,4 m erhöht worden. Man kann sagen, das ist eine Kleinigkeit. Es wird ein oberflächennahes hoch sensibles Trassenwarnband zur Früherkennung verlegt. Das ist technischer Kleinkram, der keinen interessiert. Die Rohrleitung wird zusätzlich durch ein hoch widerstandsfähiges Geotextil vor Beschädigungen geschützt. Das ist auch technischer Kleinkram. Aber jetzt kommt’s: Die Pipeline selbst ist für 100 bar Druck ausgelegt. Genehmigt wird sie für 40 bar. Betrieben wird sie mit weniger als 14 bar. Das sind die höchsten Sicherheitsforderungen, die ich für solche Pipelines überhaupt kenne. (Beifall von der FDP) Es gibt auch ein bislang einmaliges Leckagewarnsystem. Herr Remmel, in Ihrer Argumentation kommt immer wieder durch, dass Sie bei solchen Sachen eine unrealistische hundertprozentige Sicherheit verlangen, die es nicht gibt. Es geht um den Begriff “verantwortbar”. Heute sehe ich, dass eine Bürgerinitiative, für die sich teilweise auch Politiker stark machen, eine Trasse als Todeszone bezeichnet, die parallel zur Autobahn läuft. Ich frage mich, wo denn die Gefährdungspotenziale liegen. Menschen werden in Urängste versetzt. Damit komme ich zu einem Punkt, zu dem auch die Kollegen Kress und Kuschke etwas gesagt haben: Hier ist es geboten, dass das Unternehmen, der Leitungsbetreiber, wesentlich mehr und besser informiert. Man kann nur zu jeder Bürgerinitiative hingehen. Nach Einschätzung eines Gutachters des TÜV Nord, der bestellt worden ist, erfüllt die Pipeline die Sicherheitsanforderung auf allerhöchstem Niveau. Zur Panikmache, wie sie vor Ort betrieben wird, besteht überhaupt kein Anlass. (Beifall von FDP und CDU) Horrorszenarien mit Todesstreifen und Todeszonen, durch die Leute in Urängste versetzt werden, gehören nicht zur Argumentation der FDP. Das ist für die Betroffenen im weitesten Sinne unmenschlich. Vizepräsident Edgar Moron: Herr Kollege Ellerbrock, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Remmel? Holger Ellerbrock (FDP): Selbstverständlich, Herr Kollege Remmel. Johannes Remmel (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. Da Sie gerade von der Anlage gesprochen haben: Ist Ihnen bekannt, dass es eben nicht nur um die Nähe zur Autobahn geht, sondern dass diese Leitung auch mitten durch Wohngebiete verläuft und teilweise den Menschen sogar durch den Garten gegraben wird? Ist Ihnen das bewusst? Holger Ellerbrock (FDP): Herr Kollege Remmel, das ist mir durchaus bewusst. Ich gebe durchaus zu, dass die durch das raumordnungsrechtliche Verfahren festgestellte und bestätigte Trassenführung auch bei mir Fragen aufkommen lässt. Ich bin froh, dass die Bezirksregierung versucht, mit den Unternehmen zusammen in einigen Bereichen Fragen zu stellen. Diese Trassenführung durch Wohngebiete ist seit Jahren bekannt. Die Kommunen sind um ihre Stellungnahmen gebeten worden. Die Kommunen haben keine Stellung genommen oder diese Trasse akzeptiert. Und jetzt auf einmal soll diese Trasse des Teufels sein? – Nein, dahinter stecken Leute, die mit der Angst der Menschen Politik machen. Das finde ich verwerflich. Nichts anderes ist das. (Beifall von FDP und CDU) Was das Verfahren angeht, gebe ich dem Kollegen Kuschke Recht. Wir haben Spielregeln, nämlich das Gesetz, nach denen das abläuft. Der Leitungsbau wird genehmigt. Die Betriebsgenehmigung wird später erteilt. In diesem Verfahren sind wir jetzt, dass wir die Betriebsgenehmigung noch gar nicht haben und die von Ihnen geforderten Sicherheitsaspekte geprüft, bewertet und entschieden werden. Die Betriebsgenehmigung – da bin ich sicher – wird erst erteilt, wenn das verantwortbar ist. Da – auch das muss deutlich gesagt werden – würde ich mich freuen – ich halte das für eine Selbstverständlichkeit -, wenn das Unternehmen vor Ort Aufklärung betreibt. (Beifall von der FDP) Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Wer hier, mit welchen Mitteln und Methoden auch immer, vorhandene Ängste schürt, statt sachgerecht aufzuklären, wer mit der Angst der Menschen Politik macht, der handelt aus meiner Sicht verantwortungslos. Dieses muss einmal so deutlich gesagt werden. – Danke schön. (Beifall von FDP und CDU) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Jetzt spricht für die Landesregierung und in Vertretung von Minister Uhlenberg Herr Minister Laumann. Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte für Herrn Umweltminister Eckhard Uhlenberg betonen, dass die Landesregierung die Sorgen der Bevölkerung über die Kohlenmonoxid-Leitung sehr ernst nimmt und sich immer wieder mit ihnen intensiv auseinandersetzt. Im Rahmen des 2004 durchgeführten Raumordnungsverfahrens zur Findung einer optimalen Trassenführung – noch eingeleitet von der rot-grünen Landesregierung und unter Beteiligung der Kommunen und sonstigen Träger öffentlicher Belange – ist eine Vorzugstrasse gefunden worden, die den landesplanerischen Vorgaben entspricht. Im Laufe des Planfeststellungsverfahrens von August 2005 bis Februar 2007 sind die betroffenen Bürger und Kommunen immer wieder über die CO2-Pipeline informiert und am Verfahren beteiligt worden. Gerade wegen der Befürchtungen der Bevölkerung hat die Landesregierung dafür Sorge getragen, dass diese Pipeline nicht nur den gesetzlichen Anforderungen entspricht, sondern sie weit übererfüllt: Sie übertrifft im Bereich Sicherheit die europäischen Standards deutlich. Die Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen dient dazu, die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Kohlenmonoxid-Versorgung zu erhöhen, um dadurch die wirtschaftliche Struktur der Chemie-Industrie und der mittelständischen kunststoffverarbeitenden Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zu stärken und damit Arbeitsplätze zu sichern. Das öffentliche Interesse besteht aber auch in einer konkreten Verbesserung der Umweltbilanz. Von einem rein wirtschaftlichen Nutzen des Vorhabens für den Betreiber kann daher keine Rede sein. Der Landtag hatte einstimmig, also auch mit Unterstützung der Opposition, das Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen beschlossen. Dieses Gesetz ist ordnungsgemäß zustande gekommen, ausgefertigt und verkündet worden. Dem Gesetz stehen auch keine neuen Sicherheitsrisiken entgegen. Die bei dem Vorhaben zu berücksichtigenden Sicherheitsaspekte sind nicht Gegenstand des Gesetzes. Die Kohlenmonoxid-Rohrfernleitung hat den erforderlichen Stand der Technik einzuhalten und wird ihn sogar übererfüllen, um Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu vermeiden und die Menschen sowie die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen durch Errichtung, Beschaffenheit und Betrieb zu schützen. Dies wird beispielhaft durch folgende Maßnahmen deutlich: Die Pipeline wird deutlich tiefer gelegt – 1,4 m Tiefe statt 1 m wie vorgesehen. Die Wanddicken der Bauteile und Sicherheitsbeiwerte bei Rohrmaterialien sind erhöht. Ein oberflächennahes und hochsensibles Trassenwarnband dient der Früherkennung. Einsatz von hochwiderstandsfähigem Geotextil zum Schutz vor Beschädigungen. Die Pipeline ist auf 100 bar ausgelegt, wird für 40 bar genehmigt und tatsächlich nur bei 13,5 bar betrieben. Zudem sind der Bezirksregierung vor Inbetriebnahme der Rohrleitungsanlage Alarm- und Gefahrenabwehrpläne zur Genehmigung vorzulegen. Diese Pläne sind in Abstimmung mit den zuständigen Katastrophenschutzbehörden sowie den örtlich zuständigen Feuerwehren zu erstellen, die für die jeweils örtlich zuständigen Feuerwehren abgestimmte Einsatzkonzepte enthalten müssen. Ferner ist den Feuerwehren eine weitergehende regelmäßige Schulung für die anlagenspezifische Gefahrenabwehr anzubieten. Durch diese Auflagen ist sichergestellt, dass die zuständigen Katastrophenschutzbehörden und Feuerwehren bei den zu erstellenden Details der Alarm- und Gefahrenabwehrpläne nochmals umfänglich beteiligt werden und sich entsprechend darauf einstellen können. – Schönen Dank. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Minister. – Ich schließe die Beratung. Die Redezeiten sind auch ausgeschöpft. Bis auf die Landesregierung haben alle Redner die Redezeit überschritten. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages in der Drucksache 14/4475 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – und an den Innenausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung wird im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diesen Verfahrensvorschlag? – Ist jemand dagegen? – Stimmenthaltungen? – Einstimmig so beschlossen. Meine Damen und Herren, damit sind wir ans Ende unserer heutigen und damit letzten Sitzung vor der Sommerpause gekommen. Ich berufe das Plenum wieder ein für Mittwoch, 22. August, um 10 Uhr. Abschließend darf ich darauf hinweisen, dass es eine vereinbarte Fortsetzung der Sitzung des Ausschusses für Generationen, Familie und Integration gibt. Der Ausschuss hat bereits heute Vormittag getagt und tagt genau zehn Minuten nach Ende dieser Sitzung wieder, und zwar im Raum E1D05. Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen Abend und Ihnen und Ihren Familien eine erholsame Sommerpause. Genießen Sie die Zeit der Sommerpause, denn das zweite Halbjahr wird sehr arbeitsreich, sodass Sie Ihre Kraft brauchen werden. Ich schließe hiermit die Sitzung und wünsche Ihnen alles Gute für die nächsten Wochen. Schluss: 19:30 Uhr Quellen: Mitschnitt der Sondersitzung zur CO-Pipeline vom 14. Juni 2007 im RealPlayer-Format Zugrundeliegender Antrag der Fraktion Bündnis90/Grüne (PDF-Format)

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