Bayer Hauptversammlung 2014: Redebeitrag und Impressionen

Redebeitrag vor den Aktionären Impressionen von der Aktionärsversammlung der Bayer AG in Köln am 29. 4. 2014 – für diejenigen, die nicht dabei sein konnten. Oh, wie wohltuend – außer zwei sichtbar positionierten Polizisten in Uniform- Blau, drei Sterne auf den Schulterklappen, keine krächzenden Funkgeräte, keine aufsitzenden weiß behelmten Kradfahrer, keine Absperrgitter, kein Blaulicht in Sicht. Dank des Verwaltungsgerichts in einer Eilentscheidung vom Abend zuvor war es Bayer untersagt worden, den Vorplatz zur Messehalle als “vom Konzern besetzt’ zu betrachten. Deshalb: Ein total friedliches Bild, Demonstranten in Greenpeace-Grün mit honiggelben Bienen-Luftballons, Bannerträger, Arznei- und Umweltkritiker, Plakate von Pipeline-Gegnern, Betroffene, zum Teil aus dem Ausland angereist. Hier und da Parolen. Man trifft sich und begrüßt sich. Anders als im Vorjahr 2013: Als die “Hochsicherheitszone’ für mächtig Ärger gesorgt hatte. Bayer hatte wohl die Oberhoheit über die Einfahrt zur Messehalle 7 und die Wendeschleife für sich beansprucht. Kritischen Aktionären wurde ein Plätzchen auf dem Bürgersteig weit weg zugewiesen. Die anreisenden Besucher durften direkt vor den Glastüren des Nordeingangs aus dem Bus steigen. Kurze Wege, Aktionäre an der kurzen Leine. Dann aber kam es für alle dieses Jahr knüppeldick: Hochsicherheitstrakt! “Safety for a Better Life.’ Oder galt es, die Besucher vor der Forschung zu schützen? Doppelte Einlass-Kontrolle gegen Ausweis. Die nackte Angst vor den eigenen ehemaligen und noch aktiven Mitarbeitern und Aktionären? Was für den jährlichen Besucher als persönliche Sympathie-Kundgebung gilt: Ich werde eingeladen, ich komme, ich darf abstimmen gegen freie Verpflegung – welch ein Kontrast! Endlose Schlangen bei der Leibesvisitation, strenger als in der Sicherheitszone eines Flughafens. Schutzhelm, Fantasiehut, Plakate, Kuchenmesser, Scheren, Parolen auf Papier wurden konfisziert, d. h. in der eigens hergerichteten Asservaten-Kammer gegen Quittung beschlagnahmt und im Hinterzimmer aufbewahrt. Röntgen von Jacken und Taschen, Abtasten des Körpers mit der Sonde. Aktionäre, auf der Suche nach einer Toilette, wurden persönlich dorthin begleitet und dem Kollegen daselbst mit der Floskel übergeben: “Ich habe ihn nicht aus den Augen gelassen.’ Waren das alles potentielle Störer, Querulanten, gar Terroristen? Welch jämmerliches Bild für einen Weltkonzern! Mitaktionäre, viele von ihnen gewiss über 70, waren entsetzt ob einer derartigen Demütigung. (“Bei Beiersdorf war das neulich total angenehm und entspannt’, hörte man. “Die Einladung hatte vollauf genügt.’). Natürlich bekam das Sicherheitspersonal den ganzen Ärger zu spüren. Einmal in der Großen Halle mit Vorstand und Aufsichtsrat: Da zeigten sich weit entfernt hinter Klapprechnern und Namensschildern (wie beim Kasperle-Theater) nur die Köpfe der Auserwählten, braungebrannt, frisch frisiert, hoch platziert und best dotiert, deutlich abgehoben von ihrem Publikum. Umso größer rechts und links riesige Bildschirme mit dem jeweiligen Redner am Mikrofon. Voll in Farbe. Dezente Grafik im Hintergrund. Das versöhnte einen mit der nervenaufreibenden Eingangskontrolle. Hätte man sich beim Bau und Betrieb der neuen und alten CO-Pipelines nur halb so viel Mühe gegeben. Das Frage- und Antwortspiel nach der Rede des Vorsitzenden, gern auch Diskussion genannt, ist nur ein Scheingefecht. Gegenanträge waren vorher bekannt, sie sind bereits abgebürstet worden, Fragen besorgter Aktionäre werden in bekannter Manier, gebündelt und nach wohl vertrauter Sprachregelung behandelt: Die im Hintergrund agierenden spin doctors, die eifrig die bereits bekannten Versatzstücke neu zusammenstellen, legen ihrem Vorsitzenden die Antworten auf gelben Karten vor. Der liest ab. Leider sind es auch dieses Jahr wie jedes Jahr (und im nächsten Jahr) die gleichen Sätze zum Thema Pipeline wie: “Der Landtag in Düsseldorf hat mehrfach das Gemeinwohl festgestellt…, oberste Priorität hat die Sicherheit…, wir setzen weltweit neue Maßstäbe in puncto Sicherheit…, wir erfüllen alle Auflagen vor der Betriebsgenehmigung der neuen Pipeline…, wir sichern Arbeitsplätze…, wir brauchen den Verbund…, wir haben von Anfang an den Dialog mit den Bürgern geführt…’ Nun wird klar, weshalb manche Kritiker das Projekt auch gern als “Die Pipeline der Lügen und Märchen’ bezeichnen. Fragen nach Kosten und Nutzen sowie Alternativen der CO-Produktion werden in diesem Jahr als “Betriebsgeheimnis’ nicht beantwortet. Aber die Zauberformel lautet trotzdem: “Wir zeigen größte Transparenz!’ Medizinisch habe man alles im Griff, Rettungspläne gelten als abgestimmt. Der angereiste Beobachter stutzt. Fragen am Ende der Veranstaltung: Weiß Dr. Dekkers überhaupt, wovon er gesprochen hat? Für wie doof hält er eigentlich die Redner der Initiativen? Dem kritischen informierten Beobachter bleibt letztendlich die Hoffnung auf die Vernunft und Umsicht der Gerichte – oder doch wieder auf die nächste Aktionärsversammlung? Ein Verbesserungsvorschlag: Bei der Einlasskontrolle spendiert Bayer jedem Aktionär zwei Pillen aus dem Portfolio. Gegen Kopfschmerzen. Zur Beruhigung.

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